Von Chatbots, Start-ups und smarten Mülltonnen
Die GIZ unterstützt Staaten und Gesellschaften weltweit bei der digitalen Transformation. In Ruanda arbeiten viele Digitalisierungsprojekte eng zusammen und gestalten mit Innovationen und digitalen Lösungen zukunftsfähige Entwicklungszusammenarbeit. Die Digitalisierung ist dort zu einem der wichtigsten Treiber für die Entwicklung von Wirtschaft, Staat und Gesellschaft geworden.
„Früher habe ich mein Handy nur zum Telefonieren genutzt“, erzählt Silvia Dushimirimana, Landwirtin im Norden Ruandas. „Heute kann ich damit auch mobil bezahlen, Kredite bedienen und Rechnungen begleichen.“ Auf vier Feldern baut Silvia Mais und Bohnen an und steuert so einen Großteil zum Lebensunterhalt ihrer vierköpfigen Familie bei. Wie digitale Anwendungen sie in ihrem Alltag und Beruf unterstützen können, hat sie in Schulungen der GIZ und der Nichtregierungsorganisation One Acre Fund gelernt.
Ruandas Wirtschaft ist stark von der Landwirtschaft geprägt. Rund 70 Prozent der Bevölkerung sind im Agrarsektor beschäftigt, viele von ihnen sind Kleinbäuerinnen und -bauern. Weil die Bevölkerung Ruandas kontinuierlich wächst, ist eine Steigerung der Nahrungsmittelproduktion für das Land eine echte Herausforderung. Zeitgleich gewinnt der Export von Tee und Kaffee an Bedeutung. Das Land bemüht sich deshalb, die Erträge der Bäuerinnen und Bauern zu steigern. Digitalisierung spielt dabei eine zentrale Rolle.
In den Schulungen lernen die Landwirt*innen, welchen Mehrwert ihnen die Digitalisierung bietet und wie sie bekannte Technologien und Geräte – wie Mobiltelefone, Tablets, SMS und USSD – einsetzen können. USSD (Unstructured Supplementary Service Data) sind kurze Folgen aus Sternen, Doppelkreuzen und Ziffern im Mobilfunknetz. Tippen die Landwirt*innen diese in ihre Mobiltelefone, können sie damit Services wie Bezahlfunktionen bedienen oder Informationen abrufen – ganz ohne Internetverbindung. Dieser Kommunikationsstandard ist vor allem in Ländern des Globalen Südens weit verbreitet, denn allein in Ruanda haben fast 70 Prozent der Menschen keinen Zugang zum Internet.
Über 105.800
Landwirt*innen in Ruanda wurden bislang im Umgang mit digitalen Anwendungen geschult.
»Wir haben den Farmer*innen erklärt, wie USSD funktioniert und was sie damit alles machen können. Außerdem haben wir sie auch ganz praxisnah im Umgang mit ihren eigenen Geräten, meist Mobiltelefone und Tablets, geschult. So konnten wir Bedenken aus dem Weg räumen und konkrete Fähigkeiten aufbauen.«
Theophile Cyiza, Leiter der Projektdurchführung bei One Acre Fund© Kabera Kabira
Besser informiert dank Chatbot
Über USSD sollen Landwirt*innen in Ruanda zukünftig auch mit einem Chatbot kommunizieren, der ihnen zuverlässige Wetterinformationen liefert. Eine große Erleichterung im Alltag, denn die Farmer*innen sind stark von Regen abhängig. Bewässerungssysteme sind nur sehr selten vorhanden. Bisher fehlte häufig der Zugang zu Wettervorhersagen. Lebensmittel effizient anzubauen, war so nur schwer realisierbar.
Dank des Chatbots, den die GIZ gemeinsam mit dem ruandischen Ministerium für Informations- und Kommunikationstechnik und Innovation unter Mitwirkung weiterer Partner entwickelt, wissen die Landwirt*innen in Ruanda bald, wann sie pflanzen, düngen und ernten sollten. Auch vor drohendem Schädlingsbefall wird der Chatbot warnen können. Durch die Schulungen kennen die Farmer*innen schon jetzt seine Funktionsweise und wissen damit umzugehen. Die erhöhten Erträge sorgen für mehr Einkommen und tragen gleichzeitig zur Ernährungssicherung der wachsenden ruandischen Bevölkerung bei.
Digitalisierung als Motor für Entwicklung
Fortschritte in der digitalen Transformation eines Landes wirken sich nicht nur direkt positiv auf einzelne Bereiche aus, sondern zahlen häufig auch auf andere Ziele für nachhaltige Entwicklung ein. So können digitale Technologien zum Beispiel den Zugang zu Bildung ermöglichen, wirtschaftliches Wachstum fördern oder, wie in Ruanda, die Ernteerträge steigern und die Lebensmittelversorgung verbessern.
Ruanda ist im Bereich Digitalisierung ein echter Vorreiter in Afrika. Die Förderung digitaler Kompetenzen ist nur ein Baustein der umfassenden Digitalisierungsstrategie des Landes. Staatliche Stellen stecken viel Engagement und Budget in die digitale Transformation. Bis 2050 soll Ruanda so zu einem wohlhabenden, wissensbasierten, industriellen und nachhaltigen Staat werden. 2023 hat das Land als eines der ersten auf dem afrikanischen Kontinent eine nationale Strategie für den verantwortungsvollen und inklusiven Umgang mit künstlicher Intelligenz verabschiedet – unterstützt von der GIZ.
Link zum Vorstandsvideo»Strategische Partnerschaften haben entscheidend dazu beigetragen, unsere digitale Transformation voranzutreiben, vom Ausbau der Infrastruktur bis hin zur Umsetzung innovativer Lösungen, und uns als regionalen Marktführer in der digitalen Wirtschaft zu positionieren.«
Paula Ingabire, Ministerin für Informations- und Kommunikationstechnik und Innovation von Ruanda© Arsene Mugabo
Ganzheitlicher Ansatz für schnelleren Fortschritt
Die GIZ setzt in Ruanda eine Vielzahl an Digitalisierungsvorhaben um. Die einzelnen Projekte bilden zusammen einen ganzheitlichen Ansatz, ihre Wirkungen ergänzen sich gegenseitig. Die eng verzahnten Vorhaben sind ein gutes Beispiel dafür, wie eine zukunftsfähige Entwicklungszusammenarbeit aussehen kann: Sie fördern aktiv die wertebasierte und gerechte digitale Transformation Ruandas und ermöglichen dadurch einen effizienteren Staat, eine zukunftsfähige Wirtschaft und verbesserte Dienstleistungen für Bürger*innen. Gemeinsam mit staatlichen Stellen, Privatwirtschaft und Zivilgesellschaft schaffen sie Strukturen, entwickeln digitale Tools und erleichtern damit den Alltag der Ruander*innen.
Erfahren Sie hier mehr über das Digital Transformation Center in Ruanda und die verschiedenen Projekte:
Dreh- und Angelpunkt ist das Digital Transformation Center in Kigali, wo viele Vorhaben unter einem Dach sitzen und damit nicht nur theoretisch, sondern auch praktisch zusammenarbeiten. GIZ-Expert*innen, Partner und Auftraggeber kommen hier zusammen, um den digitalen Wandel des Landes voranzutreiben. Die einen unterstützen Digital-Start-ups und bringen sie mit potenziellen Kund*innen an einen Tisch. Andere entwickeln mit der Stadt Kigali Abfallbehälter, die in Echtzeit ihre Füllstände an die Abfallunternehmen melden. Dieses intelligente Abfallsammelmanagement schützt die Umwelt und spart den Müllarbeiter*innen Zeit, weil Abfälle nicht mehr neben überfüllten Containern abgeladen werden. Alle Projekte haben eines gemeinsam: Mit ihren digitalen Ansätzen ermöglichen sie Wirkungen, von denen innerhalb kurzer Zeit eine große Anzahl an Menschen in Ruanda profitiert.
So unterstützt die GIZ die digitale Transformation in Ruanda:
-
Digitale Transformation des öffentlichen Sektors
Ziel: öffentliche Dienstleistungen und Effizienz von Behörden verbessern -
Unterstützung ökologischer Start-ups
Ziel: Schulung, Beratung und Vernetzung von Start-ups -
Künstliche Intelligenz
Ziel: Entwicklung von Produkten und Rahmenbedingungen für die ethische Nutzung von KI -
Digitale Inklusion und digitale Kenntnisse
Ziel: Digitale Kompetenzen schaffen und den Einsatz digitaler Lösungen fördern
Grundstein für zukünftige Anwendungen
Die enge Verzahnung der Projekte in Ruanda hilft, Synergien zu schaffen sowie Maßnahmen gut aufeinander abzustimmen und miteinander zu verzahnen. Der Chatbot für die Landwirt*innen ist dafür ein gutes Beispiel: Die innovative Lösung baut auf Mbaza auf, einem Chatbot, den die GIZ in Ruanda zu Zeiten der Covid-19-Pandemie gemeinsam mit Partnern aus dem öffentlichen Sektor, der Privatwirtschaft und gemeinnützigen Organisationen entwickelt hat und der mit über 14 Millionen Anfragen eine echte Erfolgsgeschichte verzeichnete. Mbaza ermöglichte der gesamten Bevölkerung Ruandas Zugang zu zuverlässigen Informationen nicht nur in den Sprachen Englisch und Französisch, sondern auch in der dritten Amtssprache Kinyarwanda. Er enthielt unter anderem aktuelle Informationen über Inzidenzraten und Impfungen, Covid-19-Symptome, empfohlene Verhaltensweisen im Falle eines positiven Tests, geltende Beschränkungen, Testergebnisse und Zertifikate.
3,5 Millionen
Menschen haben den Chatbot Mbaza genutzt, um während der Pandemie Informationen, Testergebnisse oder Impfbescheinigungen abzurufen.
Im Zuge der Entwicklung von Mbaza hat die GIZ in Zusammenarbeit mit der Mozilla Foundation einen offenen Kinyarwanda-Datensatz für Sprachinteraktion aufgesetzt, der nun die Basis für das Training von weiteren KI-Modellen im Land bildet und zukünftig auch als Grundlage für die Programmierung weiterer Bantu-Sprachmodelle dienen kann. Die nationale KI-Strategie, die ebenfalls mit Unterstützung der GIZ auf politischer Ebene erarbeitet wurde, bildet dafür den Rahmen. Darauf aufbauend werden nun weitere Anwendungsmöglichkeiten für den Chatbot in Ruanda erprobt. In der Landwirtschaft funktioniert es bereits, zukünftig soll darüber hinaus auch die Bürgerbeteiligung in Ruanda über einen Chatbot möglich sein. Bürger*innen sollen so dann alle Ebenen der Regierung kontaktieren können. Zugang und Nutzung werden hier erneut so einfach wie möglich gehalten – damit alle profitieren und eine gerechte und verantwortungsvolle digitale Transformation gelingt.
»Die Verfügbarkeit unterschiedlicher KI-Modelle in der Open Source ist ein großer Vorteil für alle, die in Kinyarwanda oder anderen afrikanischen Sprachen arbeiten wollen. Denn jetzt gibt es eine Infrastruktur, auf der sie aufbauen können. Die Früchte davon werden in den kommenden Monaten und Jahren in Form von Innovationen auf dem afrikanischen Kontinent zu sehen sein.«
Audace Niyonkuru, CEO von Digital Umuganda© Jan Zappner / re:publica
Das Start-up hat den Chatbot Mbaza gemeinsam mit der GIZ entwickelt.
Weiterführende Links:
- Die digitale Transformation erleichtert nicht nur unsere Projektarbeit, sondern vereinfacht auch unsere internen Prozesse. Ein Beispiel aus Sambia: Digitale Transformation: schneller, wirksamer, transparenter