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Nachhaltige Lieferketten: besser leben, besser arbeiten

Die GIZ unterstützt ihre Auftraggeber seit vielen Jahren dabei, Umweltschutz und Menschenrechte an unterschiedlichen Punkten der Lieferketten voranzubringen.

In den „Frauen-Cafés“, die sich an vielen Industrie­standorten in Bangladesch finden, treffen sich nicht nur Frauen. Hier informieren und vernetzen sich Fabrik­arbeiter*innen, die sich stärker für die eigenen Rechte einsetzen möchten. Die Cafés sind Teil des Projekts „Nach­haltig­keit in der Textil- und Leder­industrie“ (STILE), das die GIZ im Auftrag des BMZ umsetzt, um die Sozial- und Umwelt­standards entlang der Liefer­ketten zu stärken – und zwar da, wo sie am meisten gebraucht werden: in den Fabriken und bei den Menschen in den Produktions­ländern.

Seit Januar 2023 gibt das Lieferketten­sorgfalts­pflichten­gesetz deutschen Firmen einen recht­lichen Rahmen dafür vor, wie beim Einkauf und der Zusammen­arbeit mit anderen Firmen auf Umwelt- und Sozial­standards zu achten ist. Aber schon lange bevor es den gesetz­lichen Rahmen gab, arbeitete die GIZ für diverse Auftrag­geber an Projekten, die die Lebens­bedingungen der Menschen an unter­schied­lichen Punkten der Liefer­ketten ver­bessern. Sie entwickelt Dialog­programme für deutsche Schlüssel­branchen, bietet Trainings für potenzielle Partner­firmen im Ausland an oder unter­stützt vor­handene Strukturen vor Ort – wie zum Beispiel die Frauen-Cafés in Bangladesch.

Im Gespräch Lösungen entwickeln

Viele negative Aus­wirkungen für die Menschen vor Ort können ver­mieden werden, wenn die beauftragenden Firmen von Anfang an die Konsequenzen für die gesamte Liefer­kette mit­denken. Als die Bundes­regierung den Nationalen Aktions­plan (NAP) Wirtschaft und Menschen­rechte verabschiedete, beauftragte das Bundes­ministerium für Arbeit und Soziales daher die GIZ damit, gemein­sam mit den Unter­nehmen der wichtig­sten Schlüssel­branchen in Deutsch­land zu er­mitteln, wo die größten Heraus­forderungen und Potenziale liegen. „So sind die Branchen­dialoge ent­standen“, erinnert sich Harald Küppers, der das Projekt bei der GIZ leitet. Die Branchen­dialoge verfolgen einen Multi-Stakeholder-Ansatz, bei dem Unter­nehmen, Verbände, Gewerk­schaften und die Zivil­gesellschaft an einem Tisch sitzen. Gemeinsam entwickeln sie Lösungen, wie der NAP zur gelebten Realität in Unter­nehmen werden kann. Dazu gehören unter anderem die Formu­lierung einer Menschenrechts-Policy, regel­mäßige Bericht­erstattung zu Menschen­rechten in den Liefer­ketten und etablierte Beschwerde­mechanismen. „Wir haben die Branchen­dialoge zuerst mit der Auto­industrie umgesetzt. Nicht nur, weil sie eine Schlüssel­branche ist, sondern weil es hier wichtige Markt­führer gab, die aktiv um Unter­stützung gebeten hatten“, erklärt Küppers.

Wirksam auf vielen Ebenen

300

Fabriken haben 2022 mit STILE kooperiert, um höhere Umwelt- und Sozial­standards um­zusetzen.

140

Fabriken haben daraufhin Zertifizierungs­prozesse auf­genommen, um sich für den Grünen Knopf zu qualifi­zieren.

647

Mal haben sich Arbeiter*innen in Frauen-Cafés zur Lösung von Konflikten beraten lassen.

Business Scouts for Development

Das Programm Business Scouts for Development wird vom Bundes­ministerium für wirt­schaft­liche Zusammen­arbeit und Entwicklung (BMZ) gefördert und von der GIZ um­gesetzt. Die Business Scouts agieren an der Schnitt­stelle zwischen Privat­wirtschaft und Entwicklungs­zusammen­arbeit. Sie kennen die Bedürf­nisse der Wirt­schaft, aber auch die lokalen Rahmen­bedingungen und Gesetze der einzelnen Länder. So kann das Netz­werk der Business Scouts innovative Ansätze für die Entwicklungs­zusammenarbeit ent­wickeln und konkrete Kooperations­projekte auf den Weg bringen.

Business Scouts vermitteln Nachhaltigkeits­wissen

Auch Firmen in Südafrika sind interessiert an einem Wissens­aufbau rund um das Thema faire Arbeits­bedingungen. Sylvia Opperman ist zuständig für das Import­management bei dem Bekleidungs­hersteller Cape Union Mart in Kapstadt. Sie hat an einem 50-stündigen Lehr­gang zum Thema nach­haltige Liefer­ketten teil­genommen, den die Deutsche Industrie- und Handels­kammer für das südliche Afrika (AHK Südliches Afrika) im Rahmen des Business-Scouts-for-Development-Programms ent­wickelt und um­gesetzt hat. Zwischen Mai und Juli 2022 fand er erst­mals als Pilot­projekt statt. „Das Training hat mir ge­holfen zu ver­stehen, wo das Thema Menschen­rechte bei unserem Alltags­geschäft überall mit hinein­spielt“, fasst sie ihre Er­fahrung zusammen. „Wir als Firma sind da zwar schon ganz gut auf­gestellt. Aber unsere Doku­mentation war weder leicht zugänglich noch auf unsere Kund*innen aus­gerichtet.“ Infolge des Trainings hat Opperman in ihrer Firma die Ent­wicklung eines Monitoring­systems voran­getrieben, das alle relevanten Fragen und Vor­gänge doku­men­tiert. So trägt sie ganz direkt zur Ab­sicherung fairer Arbeits­bedingungen vor Ort bei – und profiliert ihre Firma neben­bei auch als interessanten Partner für den deutschen Markt.

Porträtfoto: Timo Pleyer.

»Die große Nachfrage der Firmen vor Ort hat unsere Erwartung weit übertroffen. Über 100 Firmen haben sich auf die 15 Plätze im ersten Testlauf beworben. Das zeigt uns, dass wir das richtige Angebot machen.«

Timo Pleyer arbeitet als Business Scout bei der AHK Südliches Afrika. Er hat den Lehrgang, der ursprünglich von der GIZ für deutsche Unter­nehmen entwickelt wurde, an den südafrikanischen Kontext angepasst.
© SAGCC

Fabrikarbeiter*innen direkt erreichen

Um Information, Dokumentation und Trans­parenz in Bezug auf Umwelt- und Sozial­standards geht es auch im GIZ-Projekt STILE. Das Projekt hat die Ver­besserung der Arbeits­bedingungen in Bangladesch zum Ziel und arbeitet dafür mit unter­schied­lichen Stakeholder-Gruppen zusammen. Unter anderem setzt STILE sogenannte Community-Leader ein, die in ihren Wohn­bezirken rund um die Textil­fabriken persön­liche Kontakte in die Communitys auf­bauen und Ver­trauen schaffen. So können sie Informationen über Gesundheits­themen, Arbeits- und Menschen­rechte weiter­geben. Als Treff­punkt für die Communitys dienen unter anderem die Frauen-Cafés in den Städten. „Wir versuchen vor allem neue Arbeiter*innen zu er­reichen, die noch wenig über ihre Rechte wissen“, sagt Nazrul Islam, Community-Leader im STILE-Projekt.

Die Textil- und Leder­branche be­schäftigt in Bangladesch mehr als 4,5 Millionen Menschen und ist damit eine der wichtig­sten Einnahme­quellen des Landes. „STILE ist ein Projekt, das auf vielen unter­schied­lichen Ebenen arbeitet – wir fördern eine ver­besserte Gesetz­gebung zur Abwasser­reinigung, leisten Vor­arbeit für Zertifi­zierungs­prozesse, informieren Arbeiter*innen und tragen dazu bei, geschlechts­bezogene Diskri­minierung zu beseitigen“, erklärt Victoria Hohenhausen, die im STILE-Projekt vor Ort mit­wirkt. Sie freut sich be­sonders darüber, dass 62 Prozent der mehr als 90.000 Menschen, die das Projekt im Jahr 2022 erreicht hat, Frauen sind. „Mehr als die Hälfte der im Sektor Be­schäftig­ten sind Frauen. Durch Diskrimi­nierung am Arbeits­platz, fehlenden Mutter­schutz und schlechte Auf­stiegs­chancen durch tradierte Geschlechter­rollen sind sie be­sonders gefähr­det. Gemein­sam mit der Fair Wear Foun­dation bieten wir des­halb seit letztem Jahr Trainings in Fabriken an, in denen wir Arbei­terinnen darin stärken, gegen gender­basierte Gewalt und Belästigungen am Arbeits­platz vor­zugehen.“

Foto: In einer großen Halle sitzen Näherinnen mit Kopftüchern und Mundschutz.
© Noor Alam
Porträtfoto: Mohammed Nazrul Islam.
© GIZ / Nazir Hussain

»Ich bin stolz darauf,
ein Community-Leader zu sein.«

Im GIZ-Projekt STILE geht es unter anderem darum, Wissen an Textil­arbeiter*innen zu ver­mitteln. Mohammed Nazrul Islam erzählt im Interview von seinen Erfahrungen als sogenannter Community-Leader in der Kampagne AMI NARGIS. Neben diesem Ehren­amt arbeitet Islam als Bügler in einer Textil­fabrik.

Eines der Ziele des STILE-Projekts ist es, die Rechte der Textil­arbeiter*innen in Bangladesch zu stärken. Welche Rolle spielen dabei die Communitys, also die Gemein­schaften, in denen sie leben?

Die Communitys spielen eine tragende Rolle dabei, die Arbeits­rechte in Bangladesch zu stärken. Als Community-Leader können wir unsere Position nutzen, um die Arbeiter*innen über ihre Rechte auf­zuklären und sie zu er­mutigen, für diese ein­zustehen. Wir versuchen vor allem neue Arbeiter*innen zu er­reichen, die noch wenig über ihre Rechte wissen, zum Beispiel hin­sicht­lich ihrer Lohn- und Urlaubs­ansprüche oder Umwelt­sicherheit in Fabriken.

Mit welchen Problemen sehen Sie sich in Ihren Gesprächen mit den Mit­gliedern ihrer Community konfrontiert?

Um die Menschen zu erreichen, mussten wir erst einmal Vertrauen aufbauen, was sich als schwierig heraus­stellte. Wir erhalten unsere Informationen zwar aus seriösen Quellen – zum Beispiel Regierungs­organisationen und Fabriken –, sie sind den Menschen in der Community aber nicht ver­traut. Deshalb mussten wir sehr viel erklären, denn die Menschen neigen dazu, Obrig­keiten zu miss­trauen, oder sie wussten nicht, wie sie bestimmte Infor­mationen im Alltag anwenden konnten.

Das ist zum Bei­spiel beim Thema Covid-19-Impfungen passiert. Trotz der Informationen aus offiziellen Quellen hielt sich das Miss­verständnis, dass man nicht an Covid-19 erkranken kann, wenn man ge­impft ist. Wir mussten den Menschen klar­machen, dass sie sich trotz Impfung an die gene­rellen Hygiene­bestimmungen halten müssen. Unsere persön­lichen Erfah­rungen als Mit­glieder der Community zu teilen, war letzt­lich der Schlüssel, um Bewusst­sein zu schaffen und Ver­trauen auf­zu­bauen, wenn auch langsam.

Wie verbessert die STILE-Initiative die Lebens­bedingungen der Menschen in Ihrer Gemein­schaft?

STILE – oder Ami Nargis, wie unsere lokale Kampagne heißt – hat uns ge­zeigt, wie wir mit unseren lokalen Gemein­schaften in den Aus­tausch treten können. Kampagnen, die Wissen über Alltags­themen wie die Pandemie-Prävention ver­breiten, helfen uns täg­lich, unsere Lebens­qualität zu ver­bessern. Durch Ami Nargis haben wir viele Arbei­te­rinnen und Arbei­ter in unserer Gemein­schaft er­reicht, sowohl on- als auch offline. Wir haben zum Bei­spiel ein Facebook-Quiz ge­startet und YouTube-Videos ver­öffent­licht.

Durch das Projekt konn­ten wir uns außer­dem mit anderen Community-Leadern ver­netzen und uns mit ihnen aus­tauschen.

Was sind Ihre Pläne für Ihr Engage­ment über die Covid-19-Pandemie hinaus?

Ich bin stolz darauf, ein Community-Leader zu sein. Ich unter­stütze die Kampagne, weil sie mir und meiner Gemein­schaft dabei hilft, unsere Rechte zu verstehen und sie für ein besseres Leben zu nutzen. In Zukunft will ich an weiteren Themen arbeiten, zum Beispiel daran, ein Bewusst­sein dafür zu schaffen, was im Falle eines Feuers oder Unfalls zu tun ist.

Ich will auch andere inspirieren, Community-Leader zu werden. Ins­besondere möchte ich Frauen stärken, sich laut­stark für ihre Sicher­heit und ihre Rechte ein­zusetzen und Aufmerk­samkeit für das Thema Sicher­heit von Frauen in ihrem Um­feld zu schaffen.