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Foto: Eine Gruppe Menschen umfasst sich gegenseitig mit den Händen.
© GIZ / Zepeda ZFD Honduras

ZFD Honduras: Dialog statt Gewalt

Viele Menschen in Honduras sind schon Zeugin oder Zeuge von Gewalt geworden. GIZ-Fachkräfte bieten ihnen psychosoziale Unterstützung an.

Grafik: GIZ: SDG 3 Gesundheit und Wohlergehen
Grafik: GIZ: SDG 16 Frieden, Gerechtigkeit und starke Institutionen

Bandenkriege, Kriminalität, sexuelle Übergriffe und politische Attentate fordern in Honduras zahlreiche Opfer. Das mittelamerikanische Land gehört weltweit zu den zehn Ländern mit den höchsten Mordraten und verzeichnete 2021 rund 39 Mordfälle pro 100.000 Einwohner*innen. Das ist mehr als sechs Mal so viel wie in Deutschland. Dieses hohe Maß an Brutalität führt zu Stress und seelischen Krankheiten. Im Auftrag des BMZ engagieren sich GIZ-Fachkräfte unter anderem als Entwicklungshelfer*innen im Programm Ziviler Friedensdienst (ZFD), um psychosoziale Unterstützungsangebote zu machen und eine Dialogkultur zu fördern.

Porträtfoto: Jasper Alders.

Interview mit Jasper Alders

Psychologe und Entwicklungshelfer für den Zivilen Friedensdienst (ZFD) der GIZ in Honduras

Wieso ist Friedensarbeit in Honduras so wichtig?

Honduras erlebt heftige und strukturelle Gewalt. Diese Gewalt reicht von häuslicher und geschlechtsspezifischer Gewalt über organisierte Kriminalität bis hin zu sozialpolitischer Gewalt, wie der Unterdrückung von kritischen Stimmen in der Gesellschaft. Gewalt zu überleben oder Zeuge davon zu werden, wirkt sich auf soziale Beziehungen aus, und zwar bis in zukünftige Generationen. In unserer Kindheit lernen wir, was Sicherheit ist, wie wir vertrauensvolle Beziehungen schaffen und mit Meinungsverschiedenheiten und Konflikten umgehen. Für Menschen, die Opfer von Gewalt werden, kann es im weiteren Verlauf ihres Lebens sehr schwierig werden, sichere Beziehungen aufrechtzuerhalten oder Konflikte konstruktiv und ohne den Einsatz von Gewalt zu lösen.

Wie gehen die Menschen damit um?

Viele zeigen eine bemerkenswerte Widerstandsfähigkeit. Dennoch führt die andauernde Gewalt, selbst wenn man sie nur in den Fernsehnachrichten sieht, zu einer Art Desensibilisierung oder Abstumpfung – eine normale menschliche Reaktion auf ein Leben unter extremen Umständen. Es ist aber unmöglich, völlig unempfindlich gegenüber Gewaltvorfällen zu sein. Viele der Menschen, mit denen wir arbeiten, leiden unter Bluthochdruck, Schlafproblemen, Muskel- und Kopfschmerzen. In Honduras ist es nicht üblich, sich mentale Unterstützung zu suchen. Stattdessen nehmen die Menschen Medikamente, um ihr Stresslevel zu reduzieren und besser schlafen zu können. Es gibt also noch viel zu tun, wir müssen für psychosoziale Themen sensibilisieren. Das Programm Ziviler Friedensdienst der GIZ unterstützt die Menschen dabei, besser mit den Auswirkungen von Gewalt umzugehen und mögliche Auswege aus dem Teufelskreis der Gewalt in Honduras zu finden.

Welche Rolle spielen ausländische Expertinnen und Experten wie Sie als ZFD-Fachkraft und Entwicklungshelfer?

Unser ZFD-Team ist sehr divers aufgestellt. Unser beruflicher Hintergrund, unser Alter, Geschlecht, unsere persönlichen Erfahrungen und unsere Weltsicht sind sehr unterschiedlich. Ich glaube, was uns Entwicklungshelfer*innen ausmacht, ist die Nähe zur honduranischen Gesellschaft. Dennoch bringen wir andere Perspektiven mit, stellen andere Fragen und sehen die Konfliktdynamik in Honduras mit einem gewissen emotionalen Abstand. Dieser hilft uns dabei, Konflikte ruhiger und differenzierter zu betrachten und verschiedene mögliche Lösungswege auszumachen. Wir kombinieren unser berufliches Wissen mit dem unserer nationalen ZFD-Kolleg*innen und unserer honduranischen Partnerorganisationen, um nachhaltige Veränderungen zu bewirken.

Wie unterstützen Sie die Partnerorganisationen in Honduras konkret?

Ich biete unseren Partnerorganisationen, aber auch anderen GIZ-Projekten des Zivilen Friedensdienstes in Honduras eine Kombination aus spezieller technischer Unterstützung und Wissenserweiterung im psychosozialen Bereich. 2021 habe ich beispielsweise einen Kurs über Stress, Emotionen und Empathie gehalten. Er richtete sich an professionell arbeitende Ehrenamtliche, die Menschen in herausfordernden Situationen oder mit einer von Gewalt geprägten Vergangenheit unterstützen. Wir haben uns angeschaut, welche Funktionen Stress erfüllt und wie er sich regulieren lässt, wie man auf seinen Körper hören und Emotionen als wertvolle Signale für Entscheidungen wahrnehmen kann. Außerdem habe ich mit einer Gruppe von Journalistinnen und Journalisten gearbeitet, die aufgrund ihres Berufes oft Ziel von Bedrohungen und Gewalt in Honduras werden. Hier standen der Umgang mit wütenden Interviewten sowie die eigenen Gefühle bei einer Konfrontation mit (verbaler) Gewalt im Fokus. Um unsere Arbeit auch nachhaltig wirksam zu machen, entwickeln wir aktuell außerdem ein Handbuch, das unseren Partnerorganisationen helfen soll, Wissen und Praktiken zu verschiedenen psychosozialen Themen anzuwenden und weiterzugeben.

Wie hat die Pandemie Ihre Arbeit verändert?

In meiner Wahrnehmung hat der durch die Pandemie verursachte, zusätzliche Stress das Bewusstsein für die Bedeutung der psychischen Gesundheit geschärft. Unsere Partnerorganisationen, die GIZ selbst und Teile der honduranischen Gesellschaft sind sich dieser Themen inzwischen viel bewusster. Da wir sehr eng mit unseren Partnerorganisationen zusammenarbeiten, hat die Umstellung auf mobiles Arbeiten sowohl Herausforderungen als auch Chancen mit sich gebracht. Wir haben zum Beispiel einen psychosozialen Newsletter gestartet und konnten interaktive virtuelle Workshops für Teilnehmer*innen aus verschiedenen Regionen gleichzeitig veranstalten. Der Kern unserer Arbeit im psychosozialen Bereich liegt allerdings im Aufbau und der Pflege vertrauensvoller Beziehungen. Es ist einfacher, diese zu festigen und persönliche Erfahrungen zu teilen, wenn man sich physisch begegnen kann.

Sie blicken auf viel internationale Erfahrung zurück: Wie ähneln sich Ihre Einsätze?

Ich nenne es die Schönheit menschlicher Beziehungen. Menschen in Krisensituationen haben das Bedürfnis, ihre Geschichte zu erzählen, sich gehört zu fühlen, anerkannt, berücksichtigt und respektiert zu werden. Diese Geschichten handeln nicht immer nur von den Katastrophen. Viele der syrischen Flüchtlinge, mit denen ich mich 2015 in Griechenland unterhielt, oder der Überlebenden des Vulkanausbruchs in Guatemala 2018 erzählten mir von ihrem schönen Land, ihrer Gesellschaft, ihrem Leben vor den Krisenereignissen. Auch in Honduras liegt ein großer Teil des positiven Wandels darin, Geschichten zu erzählen und zu hören, die uns verbinden. Sie geben den Menschen das Gefühl, nicht nur Geflüchtete*r oder Opfer zu sein, sondern jemand mit einer vollständigen Geschichte.

Was ist Ihr wichtigster Ratschlag?

Wenn man sich Zeit für die eigene psychische Gesundheit nimmt, kann man alle, die ein offenes Ohr und eine helfende Hand benötigen, aufmerksamer, ruhiger und positiver unterstützen. Die Selbstfürsorge hilft sogar dabei, geduldiger mit denen zu sein, die unsere Geduld herausfordern.

Bildrechte: © GIZ / Zepeda ZFD Honduras

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