Dauerhafte Versöhnung im Zentrum der Arbeit der GIZ
Im Zuge der Anschläge vom Ostersonntag 2019 fand sich ein Land wieder in den internationalen Medien, um das es zuvor ruhig geworden schien. Dass der Frieden in Sri Lanka jedoch brüchig ist, zeigten die Nachwirkungen der Anschläge. Zehn Jahre nach dem Ende des langen Bürgerkriegs traten in Sri Lanka ethnische Spaltungen wieder deutlich hervor. Keine Wiederholung dieses Bürgerkriegs ist oberstes Ziel des von der Europäischen Union und dem Auswärtigen Amt finanzierten Versöhnungsprogramms.
„Das war das erste Mal, dass ich ein Museum in Sri Lanka besucht habe, in dem Geschichte als ein facettenreicher Komplex verschiedenster Ereignisse und nicht als eine lineare Abfolge von Ereignissen präsentiert wird.“
Chandrika Bandaranaike Kumaratunga (rechts), ehemalige Präsidentin Sri Lankas, über das mobile Geschichtsmuseum(© GIZ)
Dabei unterstützt die GIZ in Kooperation mit dem British Council den von Sri Lankas Regierung 2015 angestoßenen Prozess. Eine umfassende Auseinandersetzung mit den Ursachen des Konflikts spielt dabei eine wichtige Rolle: Mit ihren Partnern konzipierte die GIZ ein mobiles Geschichtsmuseum, das 2019 bereits rund 20.000 Menschen aller Bevölkerungsgruppen erreicht hat und über die Insel tourt. Außerdem werden Künstler*innen, Filmregisseur*innen, Musiker*innen und kommunale Theatergruppen dabei unterstützt, ihre Werke für einen konstruktiven Dialog über Versöhnung, nationale Identität und Vielfalt zu nutzen. Auch dadurch wird die öffentliche Diskussion gefördert und bildet damit den Boden für eine gesellschaftliche Aussöhnung, die stabilisierend wirkt. Doch auch schnelle Hilfe ist gefragt: Unmittelbar nach den Anschlägen unterstützte die GIZ Betroffene und Hinterbliebene und setzte sich mit Jugendlichen gegen Hassreden in den sozialen Medien ein.
Erhalten Sie einen Einblick ins mobile Museum (in englischer, singhalesischer und tamilischer Sprache – mit Untertiteln).
Interview mit Heike Thiele
„Projekte müssen stärker politisch gedacht und enger am politischen Prozess entlang ausgerichtet beziehungsweise durchgeführt werden.“
Deutschland unterstützt Sri Lankas Regierung in ihrer Arbeit am nationalen Versöhnungsprozess. In welcher Rolle?
Neben der Förderung einer reflektierten, vielseitigen Erinnerungskultur nach dem Ende des Bürgerkriegs zwischen Tamilen und Singhalesen unterstützt das Auswärtige Amt auch die Reform des Justiz- und Sicherheitssektors. Damit zählt Sri Lanka zu den wenigen Ländern in Asien, wo alle drei Strategien der Bundesregierung im Kontext von Krisenprävention, Konfliktbewältigung und Friedensförderung Anwendung finden.
Was kann die GIZ dazu beitragen?
Als Bundesunternehmen ist die GIZ in ähnlichen Kontexten wie das Auswärtige Amt tätig und verfügt aufgrund dessen über umfangreiche Fachexpertise und Umsetzungserfahrung. Gepaart mit den guten Netzwerken vor Ort ist das sehr wertvoll für die Projekte des Auswärtigen Amts. Da es hier um „Außenpolitik mit Mitteln“ geht, müssen unsere Projekte stärker politisch gedacht und enger am politischen Prozess entlang ausgerichtet beziehungsweise durchgeführt werden.
Was sind die Herausforderungen der Arbeit in einem fragilen Kontext wie in Sri Lanka?
Sri Lanka zeichnet sich im Vergleich zu anderen Ländern der Region durch einen hohen Entwicklungsstand aus, jedoch ist die Gesellschaft nach einem fast 30-jährigen Bürgerkrieg tief gespalten. Gerade die ethnischen Minderheiten haben auch mehr als zehn Jahre nach Ende des Bürgerkriegs noch nicht vollumfänglich einen gleichberechtigten Zugang zu allen Institutionen. Zudem mobilisieren nationalistische Stimmen vor allem über soziale Medien gegen Muslime.
Welche Facette des Projekts hat Sie besonders beeindruckt?
Ein zentrales Element des Projekts ist die Sammlung „Archives of Memory“, die private Erinnerungsstücke von Zeitzeug*innen in den 70 Jahren seit der Unabhängigkeit Sri Lankas umfasst und im mobilen Museum ausgestellt wird. Dies erlaubt einen sehr konkreten und anrührenden Zugang zu teilweise konkurrierenden Erinnerungen an geschichtliche Ereignisse und erleichtert so Empathie und Versöhnung.
Warum ist aus Ihrer Sicht ein Zusammenspiel von Außen- und Entwicklungspolitik so wichtig?
Im Sinne eines integrierten Ansatzes bemühen wir uns darum, alle Instrumente der Bundesregierung kohärent in fragilen Kontexten einzusetzen, um Krisen zu verhindern, Konflikte zu bewältigen und Frieden zu fördern. Alle Grundlagendokumente fordern das zu Recht ein: unsere Krisenleitlinien, wie etwa das sicherheitspolitische Weißbuch, die Globalstrategie der EU, der Sustaining-Peace-Ansatz der Vereinten Nationen und die Pathways-to-Peace-Studie von Vereinten Nationen und Weltbank. Die Erfahrung lehrt, dass wir selbst dann oft genug nicht das erreichen, was eigentlich unser Ziel ist. Aber ohne Abstimmung, ohne das Bemühen, national und vor allem mit internationalen und regionalen Akteuren im Einklang zu handeln, wäre die Gefahr zu groß, genau das Gegenteil zu erreichen: eine Eskalation der politischen Konflikte oder eine Verlängerung der bewaffneten Auseinandersetzungen. Deswegen kommt es auf ein harmonisches Zusammenspiel aller Instrumente an.
Wo sehen Sie die Chancen einer übergreifenden, ganzheitlichen Zusammenarbeit? Und welche Rolle spielt dabei die GIZ?
Wenn alle Zahnräder gut ineinandergreifen, erhöht das die Chance, dass wir die gemeinsamen strategischen Ziele erreichen können. Die GIZ ist dabei für uns ein wichtiger Implementierer mit einem vorzüglichen Ruf und einem weit ausgeworfenen Netzwerk in praktisch allen Ländern, in denen wir arbeiten. Ohne die GIZ ist ein modernes Krisenengagement der Bundesregierung nicht vorstellbar.
Eine Jugendinitiative hat Menschen mit verschiedenen ethnischen und religiösen Hintergründen zusammengebracht (in englischer und singhalesischer Sprache – mit Untertiteln).
Hinschauen & hinterfragen
Der sri-lankische Fotokünstler Abdul Halik Azeez will Menschen jenseits der Sprache erreichen. Er beteiligt sich am mobilen Museum “It’s About Time“, das von der GIZ unterstützt wird.
Abdul Halik Azeez spricht alle offiziellen Sprachen seiner Heimat: Singhalesisch, Tamil und Englisch. Das ist auch zehn Jahre nach dem Ende des Bürgerkriegs zwischen der sri-lankischen Regierung und tamilischen Separatisten nicht selbstverständlich. „Ich hatte immer Freunde aus allen Bevölkerungsgruppen“, sagt der 35-Jährige, der aus einer muslimischen Familie im Zentrum der Insel stammt. „Doch viele im tamilischen Norden verstehen kein Singhalesisch und umgekehrt sprechen viele Singhalesen kein Tamil.“ Und Englisch ist oft eine Frage der Bildungsmöglichkeiten. Wo schon die sprachliche Verständigung eine Hürde ist, setzt der Fotokünstler auf andere Mittel, um Trennendes zu überwinden: „Kunst kann ein Weg sein, um weiterzukommen.“
Das passt zum Konzept der Initiative „It’s About Time“ („Es ist an der Zeit“), die seit Februar 2019 als mobiles, interaktives Museum über die Insel tourt. Sie ist Teil eines größeren Vorhabens, das die GIZ im Auftrag des Auswärtigen Amts und der EU (und in Kooperation mit dem British Council) rund um den Versöhnungsprozess in Sri Lanka umsetzt. Ein besonderes Anliegen der Initiative ist es, verschiedenen Perspektiven auf die Vergangenheit einen Raum zu bieten und einen Dialog zwischen Generationen und ethnischen Gruppen aufzubauen. Dazu werden historische Dokumente, Alltagsgegenstände, Augenzeugenberichte, traditionelles Essen und Kunstwerke präsentiert, um die Ereignisse der vergangenen 70 Jahre, seit der Unabhängigkeit von Großbritannien, zu veranschaulichen.
Künstlerische Komplexität und direkte Ansprache
Für die Ausstellung hat Abdul Halik Azeez die Fotoserie „Java Lane, vanishing with old Colombo“ („Wie die Java Lane mit dem alten Colombo verschwindet“) beigetragen. Die beeindruckenden Aufnahmen zeigen den Wandel eines Viertels in der Inselhauptstadt, in der eine muslimische Minderheit lebte. Im Zuge von Neubauprojekten mussten die Menschen ihre Häuser verlassen. Der Verlust der angestammten Heimat ist ein Bezug, den auch viele Ausstellungsbesucherinnen und -besucher teilen können. Die Verstädterung und der Mensch in der Moderne sind typische künstlerische Themen von Azeez, der unter anderem bereits beim Edinburgh Festival, der Biennale in Karatschi und in der Saskia Fernando Gallery in Colombo ausgestellt hat.
Von „It’s About Time“ ist der Fotokünstler begeistert. „Dem Team ist es gelungen, eine fantastische Mischung aus künstlerischer Komplexität und direkter Ansprache zu schaffen.“ So können die Menschen Kunstwerke auf sich wirken lassen, die Künstler*innen aus allen Bevölkerungsgruppen geschaffen haben. Und danach können sie im Fotostudio historische Kleidungsstücke anprobieren und Erinnerungsfotos schießen. Manchmal ist es gut, in eine andere Rolle zu schlüpfen, um besser zu verstehen. Ganz ohne Worte.
Stärkung der Versöhnungsprozesse in Sri Lanka
Sri Lanka: Blick zurück nach vorn
Zum Video „It’s About Time, Nittambuwa“ (in englischer, singhalesischer und tamilischer Sprache – mit Untertiteln)
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